Dezember 2020

Die Show-Notes zum Brillengentleman Podcast:

Optiker/in ohne Brille?

Anscheinend gehört es für viele Menschen untrennbar zusammen, dass Personen die in der Augenoptiker-Branche tätig sind, wie selbstverständlich auch eine Brille tragen.

Wie siehst du das? Gehört das für Dich auch so zusammen?

Der Blick in die meisten Brillengeschäfte bestätigt diesen Eindruck auf jeden Fall. Denn dort sieht man sieht eigentlich nie jemanden ohne Brille, der dort angestellt ist. Ist das wirklich so? Brauchen die alle Brille oder versteckt sich da etwas ganz anderes hinter? Und kann man nur Augenoptiker oder Augenoptiker werden, wenn man Brillenträger ist?

Lass uns diese und ein paar weitere Punkte einfach mal etwas genauer hinterfragen.

 

Lieber Hören statt lesen?

Episode 7 - Brillengentleman Podcast

Optiker/in ohne Brille?

  • Optikerin / Optiker ohne Brille? einfach unvorstellbar
  • Die „nicht“ vorhandene Pflicht zum tragen einer Brille für Mitarbeiter bei den Kettenoptikern
  • Artikel: „Brillen-Pflicht für Fielmann-Personal“ (Dieser Link führt zur Tagesanzeiger Website)
  • Hilft die Brille auf der Nase des Optikers wirklich dabei den Kunden besser zu verstehen?
  • Trägt auch jeder Hörgeräteakkustiker ein Hörgerät?
  • Die Brille auf der Nase des Mitarbeiters, sagt nichts über sein Fachwissen und seine Leidenschaft für das Handwerk aus

Die Macht der Brille?

 

Der Luxus des nicht Tragens

Es ist ja nicht so, dass ich nicht gerne Brille trage. Ganz im Gegenteil, ich trage sehr gerne Brille. Schließlich sitze ich an der Quelle und habe daher einige Brillen mit und auch ohne Stärke. Die ohne trage ich gerne als modisches Accessoire, um einfach ein Outfit abzurunden. Die mit Stärke benötige ich in letzter Zeit für Arbeiten am Computer. Denn wenn ich lange vor dem Computer sitze, dann kriege ich recht schnell ohne Brille Kopfschmerzen und da zeigt mir mein Körper sehr deutlich: “ Björn…. Deine Augen brauchen Unterstützung!“

Der natürliche Werdegang wird dafür sorgen, dass es mehr Situationen und Umstände gibt, wo meine Augen diese Unterstützung benötigen. Doch noch genieße ich den kleinen Luxus und trage deswegen auch öfter mal keine Brille. So kann es auch immer mal wieder vorkommen, dass man mich im Brillengeschäft ohne Brille sieht.

Die Nicht-Träger Frage

Wenn ich dann so ohne Brille im Geschäft aktiv bin, kommt natürlich des öfteren die Frage: „Wie kann es sein das Du in einem Brillenladen arbeitest aber keine Brille trägst?“

Viel spannender finde ich diese Frage allerdings noch, wenn man sie mir privat stellt. Wenn ich zum Beispiel irgendwo auf einer Feier oder Party bin und lerne neue Leute kennen. Man kommt ins Gespräch und irgendwann heißt es dann: „Was machst du denn so beruflich?“ Verrate ich dann, dass ich in einem Brillengeschäft arbeite, werde ich anschließend einen Moment lang gemustert und schließlich fällt der bekannte Satz: „Aber Du trägst keine Brille? Geht denn das?“

Nicht selten stelle ich mir in diesen Momenten innerlich die Frage: „Ja, warum soll es denn nicht gehen? Dürfen denn nur Brillenträger Augenoptiker werden bzw. in einem Brillen Geschäft arbeiten?“

Ich glaube nicht, dass macht auch gar keinen Sinn. Ich kann dir leider nicht sagen, woher dieses Bildnis bzw. diese Verbindung zwischen Augenoptikerin / Augenoptiker und Brille kommt, die so viele in ihren Köpfen haben.

Die „nicht“ vorhandene Pflicht zum Brille tragen

Doch eines steht mal fest, dieses Bildnis wird tatsächlich durch die großen Ketten der Optiker weiter verstärkt. Denn bei den meisten ist es so, dass sie ihren Mitarbeiter nahelegen Brille zu tragen. Ein spannender Artikel vom Tagesanzeiger aus der Schweiz von 2017, zeigt ganz deutlich, dass es bei der größten Optiker-Kette Deutschlands eine Pflicht zum Tragen einer Brille gibt.

Natürlich sagt die Unternehmenssprecherin das keine Pflicht zum tragen einer Brille besteht. Sondern man begrüßt es sehr, dass die Mitarbeiter eine Brille tragen. Na ja…. wenn man in die Filialen besagter Kette und auch der anderen Ketten rein schaut, habe ich bisher noch nie einen Mitarbeiter ohne Brille gesehen. Des Weiteren sagt die Unternehmenssprecherin als Grund für das Tragen der Brillen bei den Mitarbeitern, dass die Mitarbeiter sich dadurch besser in den Kunden hineinfühlen können und auch ein besseres Verständnis für Mode und Aussehen erhalten. Diese beiden Punkte finde ich irgendwie sehr spannend und ich würde gerne mit dir das einmal ja durchdenken, vielleicht sogar ein wenig gedanklich durchspielen.

Das Tor zur Gefühlswelt der Kunden?

Versetzen wir uns kurz einmal gedanklich genau in diese Situation. Du bist jetzt der Kunde, der vor mir sitzt und ich bin der beratene Optiker mit der Brille auf der Nase. Fühlst Du Dich durch meinen Anblick besser verstanden? Kann ich Dich besser verstehen, einfach aus der Tatsache heraus, dass ich eine Brille trage? Hast Du dadurch ein besseres Gefühl, wenn ich so vor Dir sitze?  Signalisiert Dir das: „Hey, ich verstehe Dich, ich weiß wie es Dir geht? Ist das wirklich realistisch?

Ganz ehrlich, wenn…… wie in meinem Fall, Dein Gegenüber eigentlich gar keine Stärke benötigt, Du aber wiederum eine hohe Dioptrien Stärke hast, dann kann ich das überhaupt nicht nachfühlen. Schließlich erlebe ich es nicht selber. Fachlich kann ich das ganz sicher nachvollziehen, auf der Grundlage dessen, was ich als Optikerin / Optiker gelernt habe in meiner Ausbildung. Aber wirklich mich hineinfühlen in Deine ganz persönliche Situation? Nein…. das geht nicht!

Der nächste Punkt ist, jeder von uns hat ein eigenes und stark unterschiedliches Empfinden für Druck und Schmerzen. Der eine kann sehr gut und lange damit leben, wenn eine Brille mitunter falsch angepasst ist und eigentlich zu stark drückt. Weil diese Person überhaupt nicht empfindlich ist an dieser Stelle. Andere sind hinter den Ohren so empfindlich, dass der leichteste Druck dauerhafte Schmerzen, mitunter Kopfschmerzen und sonstige Sachen verursacht. Auch bei diesem Punkt ist jeder Mensch einfach unterschiedlich. Kann ich das bei meinem gegenüber nachvollziehen, wenn ich zum einen nicht weiß ob und wie empfindlich er ist und wenn es mir so nicht geht? Auch eine interessante Frage, oder?

Tausche Brille gegen Emphatie

Zwei andere Eigenschaften wären viel wichtiger, nämlich Empathie und Aufmerksamkeit. Empathie, um ziemlich schnell mit zu bekommen, wie mein Gegenüber auf die eine oder andere Situation im Beratungsgespräch auch bei einer Augenprüfung reagiert.

Dies bitte in Kombination mit der Aufmerksamkeit. Was hat mein Gesprächspartner gesagt? Welche Infos hat er mir gerade gegeben? War da auch ein bisschen Subtext bei? Ich weiß, wir Männer tun uns mit Subtext etwas schwer und gerade deshalb ist es wichtig stets Aufmerksam zu sein. Es ist so wichtig vorhanden Subtext wahrzunehmen, ihn in den richtigen Kontext zu setzen und dann die richtigen Rückschlüsse zu ziehen. Das ist in meinen Augen viel wichtiger als eine Brille auf der Nase.

Optiker vs. Hörgeräteakkustiker

Ein Beispiel das mir gerade einfällt, ist auch noch sehr interessant. Nehmen wir doch einmal die Hörgeräteakkustiker, die sehr ähnlich unterwegs sind wie die Augenoptiker. Diese haben auch ein Produkt das am Körper bzw. am Kopf des Menschen ist. Da sagt doch auch niemand, trag mal ein Hörgerät in Deinem Ohr, damit Du Dich besser in Deinen Kunden hineinfühlen kannst. Oder sehe ich das falsch? Tragen alle Hörgeräteakkustiker Hörgeräte? Könnte natürlich sein, dann ist es mir bisher einfach nicht aufgefallen aber ich glaube nicht das dem so ist!

Hier könnten wir doch glatt da nochmal auf die private Situation zurückkommen. Da sagt doch bei einem Hörgeräteakkustiker auch keiner: „Hey, du bist Hörgeräteakkustiker….. krass, du trägst ja gar kein Hörgerät?“ Also woher stammt diese Verbindung bei den Optikern?

Der modische Aspekt

Der andere Punkt, den die Unternehmenssprecherin aufgeführt hatte, war das bessere Verständnis für Mode und Aussehen. Ja, ich finde es auch toll, wenn man seine Produkte trägt. Wie gesagt, ich trage gerne Brille und ich trage auch gerne Brillen aus unserem eigenen Sortiment und bin da auch recht stolz drauf. Wir haben coole Marken und ich finde es echt genial, davon eine Brille tragen zu können.

Das ist aber auch gleichzeitig Ausdruck meines persönlichen Geschmacks. Denn schaue ich mir den alle anderen Mitglieder unseres Teams an, hat jeder seinen eigenen Geschmack, nachdem er sich seine Brillen aussucht. Die Brillen die wir uns da auswählen, sind schon stark unterschiedlich. Schließlich sind wir auch alle unterschiedliche Typen vom Menschen und unserem Wesen. Das ist doch bei der Kleidung nicht anders. Wenn ich mir nun eine Brille ausgesucht habe, die ich da trage meiner Nase trage, gebe ich damit nicht Deinen Geschmack wieder und weiß auch nicht welchen modischen Geschmack Du hast.

Viel wichtiger ist doch, sich mit Mode, insbesondere der Brillen-Mode und verschiedenen Kleidungsstilen und Trends intensiv auseinanderzusetzen. Schaue mir zum Beispiel gerne mal verschiedene Magazine an, wo Styles bzw. Outfits enthalten sind. Wo darüber berichtet wird, wie die Kleidung sich in der nächsten Saison entwickelt. Was die Trends sind und das natürlich auch bei den Brillenfassungen. Welche Fassungsformen kommen da auf mich zu? Welche Farben und welche Materialien sind gerade spannend und angesagt?

Am besten helfe ich dem Kunden, wenn ich es schaffe diese beiden Themen zusammenzubringen und sie passend auf den Kunden abzustimmen, der vor mir sitzt. Wenn ich mit diesem modischen Wissen eine Stil und Typ Analyse hinbekomme und dann das passende Brillenmodell für ihn heraus suche, dass spricht für das Verständnis, für Mode und Aussehen und nicht: „Ich trage eine Brille auf der Nase!“

Mach es nicht von einer Brille abhängig

Ich möchte jetzt nicht falsch verstanden werden, dass hier ist kein Plädoyer dafür das Optiker keine Brille tragen sollen. Ganz im Gegenteil, ich finde, Brille ist toll….. Brille macht Spaß. Und in der heutigen Zeit haben wir so viele Möglichkeiten, schöne Brillen zu tragen. Nein…. das soll es hier auf jeden Fall nicht sein nicht sein!

Es soll eigentlich vielmehr einen Denkanstoß darstellen und vielleicht auch den Hinweis darauf, dass wenn der Optiker mal keine Brille trägt, ist es auch nicht weiter schlimm. Das hat keinerlei Aussagekraft darüber, wie gut er ist, wie viel Leidenschaft er für das Handwerk in sich trägt und wie Empathisch er ist. All das verrät Dir auch nicht seine Brille auf der Nase.

Ich finde, es ist wichtiger ein gutes Fachwissen zu haben und als Optiker Leidenschaft in sich zu tragen. Denn wenn jemand für seine Tätigkeit und sein Produkt brennt, berät er Dich auch mit dieser in ihm vorhandenen Leidenschaft.

Der Autor:

Björn ist Gründungspartner des Optik-Geschäfts Die Brillenfreunde in Hamburg. Seit 2015 ist der gelernte Fluggerätmachaniker und Industriemeister Luftfahrttechnik, auch ein geprüfter Augenoptikassistent. Als kreativer Kopf des Teams kümmert er sich federführend um die Social Media Footsteps der Brillenfreunde und ist maßgeblich für ihren einzigartigen Look verantwortlich. Seit Juni 2020 ist er zudem als Brillengentleman im gleichnamigen Podcast zu hören.