März 2021

Die Show-Notes zum Brillengentleman Podcast:

Die Brille aus der Wunderbohne

Ich weiß nicht wie es Dir gegangen ist, als Du den Titel gelesen hast? Als ich ihn aufgeschrieben habe und gerade nochmal gelesen habe, da hatte ich ein kleines aber intensives Kopfkino. Der Film zeigte mir, wie aus der Wunderbohne eine Brille wird und das war ganz einfach. Man nimmt einen Anpflanztopf und packt die Wunderbohne hinein. Dann kommt ein bisschen Erde oben drauf, die natürlich etwas angedrückt wird, so wie man es beim Anpflanzen macht. Danach fleißig gießen und nach ein paar Wochen wächst schließlich eine schöne Brille heraus. Zu guter Letzt muss die dann nur noch abgeschnitten werden und fertig ist die neue Brille.

Nein….. so einfach ist es natürlich nicht. Doch auch wenn der Titel wie ein Märchen klingt, ist es keines, dass was ich Dir gleich erzähle, das gibt es wirklich…. wie auch die Wunderbohne!

Lieber Hören statt lesen?

Episode 10 - Brillengentleman Podcast

Die Brille aus der Wunderbohne

Eine beeindruckend nachhaltige Idee

 

Ein paar Infos zur Wunderbohne

Na….. hast Du schon ein wenig gegrübelt, welche Pflanze sich dahinter verbirgt? Hast Du es raus gefunden? Wenn nicht, folgen jetzt ein paar Daten und Fakten und vielleicht löste Du das Geheimnis dann doch noch selber, bevor ich ihren Namen nenne.

Diese Pflanze gehört zur Familie der Wolfsmilch Gewächse und kommt ursprünglich aus Nordost Afrika und dem Nahen Osten, d. h. aus Ländern wie Libyen, Ägypten, dem Sudan und den arabischen Staaten Vorderasiens. Mittlerweile hat sie sich aber in allen tropischen Zonen verbreitet. So ist das nun einmal, wenn ein paar Samen aus dem Ursprungsgebiet mitgenommen werden und ausprobiert wird, ob diese Pflanze nicht woanders auch angebaut werden kann? Das ist bei vielen anderen Pflanzen genauso passiert, die es weit entfernt von ihren ursprünglichen Orten in andere Ecken der Welt geschafft haben.

Auch in Nordeuropa ist unsere Pflanze als einjährige Balkon und Topfpflanze bekannt. Aber da sie keine Minusgrade verträgt und dadurch nicht winterhart ist, müssen wir sie jedes Jahr neu aussähen. Sie braucht Wärme und deswegen schafft sie es bei uns einfach nicht draußen über den Winter zu kommen.

Seit 4000 Jahren bekannt

Seit über 4000 Jahren ist sie in Ägypten als Öl Pflanze bekannt und wenn ich jetzt den Namen des Öls nenne, dann wird es ganz deutlich, um welche Pflanze es hier geht.

Weißt du es schon? Okay, jetzt kommt der Name.

Es geht um das Rizinusöl und damit geht es auch um den Rizinusbaum.

Das Rizinusöl ist ein anerkanntes Heilmittel und bekannt für seine abführende Wirkung. Darauf werde aber ganz „Gentleman like“ nicht weiter eingehen. Man nutzt es zum Beispiel auch für die Herstellung von Kosmetik, Farben und Lacken. Bei meiner Recherche habe ich zudem herausgefunden, dass es sogar als Schmiermittel für Motoren eingesetzt wird. Das war mir persönlich völlig neu und ein für mich sehr interessanter Fakt, da ich schließlich auch einen technischen Tätigkeitshintergrund habe.

Vom Samen zum Namen

Zu ihrem Namen kam diese Pflanze tatsächlich durch den Samen, wie ich das meine ist ganz einfach erklärt.

Der lateinische Begriff „ricinus“ steht für Laus und Ungeziefer. Wenn Du Dir nun einmal ein Bild des Samens dieser Pflanze über die Suchmaschine Deines Vertrauens suchst, wirst Du sicherlich etwas spannendes feststellen. Denn dieser Samen sieht in seiner Form und Farbe ein bisschen wie eine vollgesogene Zecke aus. Ich geb zu, der Anblick und diese Parallele ist nicht wirklich schön, doch das ist der Grund warum der Rizinusbaum seinen Namen trägt.

Giftiges kleines Ding

Wie bei so vielen Mitgliedern der Wolfsmilchgewächse, gehört auch diese Pflanze zu den giftigen, sogar zu den sehr giftigen. Wieder einmal spielt der Samen hierbei die Hauptrolle und ist der Übeltäter, denn dieser ist in unbehandelte Form hochgiftig. Er trägt in sich das tödliche Gift Rizin, eines der giftigsten Eiweiße. Nicht umsonst war der Rizinusbaum die Giftpflanzen des Jahres 2018.

Doch keine Angst, wird dieser Samen behandelt bzw. verarbeitet verliert er seinen schrecken. So bleiben bei der Herstellung vom Öl, nach dem Auspressen die Giftstoffe tatsächlich in Rückständen zurück, da sie nicht vom Öl aufgenommen werden.

Die Wunderbohne, die Basis für 3D Druck Träume

Jetzt bekommen wir langsam auch den Bogen zum Thema Brille hin.

Es gibt in Österreich zwei Brüder, die stellen seit vielen Jahren Brillen her, z.B. aus Stein und aus Holz. Bei Ihren Brillen steht das Thema Nachhaltigkeit sehr im Vordergrund und so suchten sie nach einem nachhaltigen Stoff, um eine 3D-Druck Brille herstellen zu können. Sie wollten halt nicht den normalen Kunststoff haben, der oft beim 3D Druck verwendet wird, jedoch nicht gut abbaubar ist von der Natur. Sie suchten etwas, woraus ein nachhaltiges Pulver für ein 3D-Drucker hergestellt werden könnte. Ich kann dir nicht sagen, wie die beiden auf die Samen des Rizinusbaumes gekommen sind. Doch sie lassen aus diesen Samen ein Pulver entstehen, welches nach der Verarbeitung nicht mehr giftig ist und ihrer Nachhaltigkeitsphilosophie zu 100% entspricht. Aus diesem Pulver lassen sie in einen 3D-Drucker, ganz ohne Weichmacher die Bohnenbrillen entstehen, dass finde ich richtig genial.

Ressourcenschonender Rohstoff

Weshalb der Rizinusbaum so richtig nachhaltig ist, wird aus ein paar weiteren Aspekten sehr deutlich.

Zum einen konkurriert diese Pflanze mit keiner anderen Pflanze. Das heißt sie verdrängt keine Pflanze und nimmt ihr nicht den Platz in der Vegetation weg.

Zum anderen benötigt sie sehr wenig Wasser, was ich persönlich als einen sehr wichtigen Punkt unserer Zeit sehe. Ich glaube, das wir Menschen auf unseren Wasserverbrauch in den nächsten Jahren noch viel stärker achten müssen, um dieses für uns lebenswichtige Gut weiterhin für uns alles zur Verfügung zu haben und das über Generationen hinweg. Da ist es einfach zukunftsfähig Gedacht, wenn die für meinen Brillenherstellungsrohstoff genutzte Pflanze wenig Wasser benötigt um zu wachsen.

Durch ihren Ursprung aus den sehr warmen tropischen Gebieten, insbesondere Nord-Ost Afrika und dem Nahen Osten hat sie sich auf geringen Wasserbedarf perfekt eingestellt. Denn in diesen Regionen herrschen dürre Zeiten immer wieder vor, in denen diese Pflanze mit sehr wenig Wasser auskommen muss und durch ihre Anpassung, diese Zeiten gut überstehen kann.

Ein Baum der keiner ist

Jetzt kommt der Clou, weswegen diese Pflanze auch als Zweitname Wunderbaum heißt und womit sich dann auch der Name Wunderbohne für den Samen erklärt.

Diese Pflanze wächst in ihren tropischen Heimat Gebieten zwischen 5 und 6 Metern in vier Monaten. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen.  Das ist richtig viel Wachstum in einer sehr kurzen Zeit. Als Höhenrekord gibt es Rizinusbäume mit 13 Metern Höhe.

Der Begriff Rizinusbaum bzw. Wunderbaum etwas dabei etwas irreführend. Denn wir reden hier nicht über einen Baum im klassischen Sinne, wie die Fichte oder Eiche. Tatsächlich handelt es sich beim Rizunusbaum um einen Strauch. Wenn ein Strauch 13 Meter hoch wird, ist das schon echt beeindruckend. Zudem treibt der Rizinusbaum jedes Jahr schnell neu aus, dadurch bietet er einen natürlichen und schnell nachwachsenden Rohstoff, ähnlich wie Bambus.

Spürbare Natürlichkeit

Kehren wir einmal zum Herstellungsprozess dieser Brillen zurück. Nachdem die Brille mit Hilfe des Wunderbohnen Pulvers im 3D-Drucker entstanden ist, wird sie gefärbt und ist dann UV-Licht beständig und resistent gegen Schweiß.

Ich habe schon einige dieser Brillen in der Hand gehabt und was ich sehr toll finde ist ihre Haptik. Ihre Oberfläche wird  etwas bearbeitet, da diese nach dem Druck sehr rau ist. Man lässt diesen Brillen jedoch absichtlich eine schöne Rauigkeit. Sie werden nicht richtig glatt gefinished, wie man das sonst von den meisten Kunststoffbrillen kennt, gerade bei Brillen aus Acetat, die häufig eine glänzend glatte Oberfläche besitzen.

Nein, diese Brillen dürfen ein bisschen ihrer Ursprünglichkeit behalten und haben mit dieser Rauigkeit tatsächlich einen sich toll anfühlenden natürlichen Touch. Ich finde das sehr cool und das gefällt mir richtig gut, da es den natürlichen Hintergrund auch spürbar macht.

Wenn Dich interessiert wie diese Brillen aussehen, dann scrolle etwas nach oben, denn in den Bullet Points habe ich einen Link zu Galileo TV eingefügt. Dieser bringt Dich zu einem Video-Beitrag, welcher letztes Jahr im Fernsehen lief. Darin sind die Brillen,  das Herstellungsverfahren und natürlich auch die beiden Brüder zu sehen.

Ein Beispiel für den Wandel zu mehr Nachhaltigkeit

Ich persönlich finde es toll, dass sich die Augenoptik Branchen mehr und mehr mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigt. Denn nur so gönnen so tolle und zugleich spannende Produkte entstehen, die einen echt überraschen und ihren Teil zu einer Umwelt gerechteren Zukunft beitragen . Denn eines ist wie in so vielen anderen Bereichen auch für die Zukunft der Augenoptik wichtig, man muss sich den Themen Nachhaltigkeit und Ressourcenschutz stärker widmen und diese einfließen lassen. Diese Brillen zeigen, dass das sehr gut möglich ist

Zum Abschluss noch ein Augenzwinkender Hinweis:

Wenn die Bohnenbrille nass werden sollte, musst Du keine Angst haben oder Dir Sorgen machen, es wachsen keine Blätter aus ihr heraus.

Der Autor:

Björn ist Gründungspartner des Optik-Geschäfts Die Brillenfreunde in Hamburg. Seit 2015 ist der gelernte Fluggerätmachaniker und Industriemeister Luftfahrttechnik, auch ein geprüfter Augenoptikassistent. Als kreativer Kopf des Teams kümmert er sich federführend um die Social Media Footsteps der Brillenfreunde und ist maßgeblich für ihren einzigartigen Look verantwortlich. Seit Juni 2020 ist er zudem als Brillengentleman im gleichnamigen Podcast zu hören.